Zum Leben zu wenig – zum Sterben zuviel

Die Landwirtschaft, präziser gesagt der Ackerbau war die treibende Kraft und Haupteinkommensquelle in den Dörfern am Nordrand des Thüringer Waldes. Dementsprechend hoch war der Anteil an Landwirten und landwirtschaftlichen Lohnarbeitern. Das Kapital des Landwirtes war sein Ackerland, das es zu Hegen und zu Pflegen galt. Es musste möglichst zusammengehalten oder vergrößert werden, um vom Ertrag allein überleben zu können. Viele Kleinbauern hatten daher noch ein Kleinhandwerk oder arbeiteten zusätzlich bei den größeren Bauern als Lohnarbeiter. Die Großbauern, früher Anspänner bezeichnet verheirateten ihre Töchter und Söhne untereinander. Gern auch über Ortsgrenzen hinaus, aber nicht zu weit. Das später zu erbende Land musste ja noch erreichbar sein.

Dazu gesellten sich die in einem Dorf üblichen und notwendigen Handwerker wie Schuhmacher, Metzger, Stellmacher, Zimmerleute, Wagner, Schmiede oder Schneider. In vielen Fällen wurde auch die Weberei von Leinenstoff betrieben, teils auch im Nebenerwerb.

Viehzucht, Holzwirtschaft oder Transport- und Fuhrwesen, wie in den Walddörfern waren eher untergeordnet. Korbmacher, Löffelschnitzer oder Kienrußbrenner sind in unseren Dörfern ebenso selten wie Holzhauer, Köhler oder Fuhrleute.

Marmor, Stein und Eisen bricht…

Wenn vor Ort besondere Bedingungen vorherrschten oder es Bodenschätze gab, gesellten sich auch einige Spezialberufe hinzu. In Seebergen und Günthersleben finden wir Steinbrecher, Sandfahrer und Bildhauer. Der Räth-Sandstein aus dem Großen Seeberg wurde zum Bau bedeutender Gebäude genutzt und der Sand wurde später u. a. als Scheuermittel verkauft. Der für Seebergen so besondere Berufszweig war mit großen Gefahren verbunden. Er gelangte damit auch in den Fokus medizinischer Forschung. Ein Sohn der Gemeinde Seebergen, der später in Gotha ansässige Arzt Dr. Johannes Bube untersuchte die „Seeberger Steinbrecherkrankheit“. Diese ist eine Form der Silikose, an der überdurchschnittlich viele seiner Verwandten und Nachbarn starben. Der Thüringer Arbeitsschutzpreis und eine Straße in Seebergen tragen heute den Namen von Dr. Bube. Und so manch ein Kind oder Jugendlicher wurde beim Sandabbau in einer Sandgrube verschüttet.

Obwohl im Seeberg kein solches Gestein abgebaut wurde, gab es in Seebergen übrigens auch einen „fürstl. schwarzburgischen Marmor-Inspector“.

Sozial mobile Berufsgruppen

Schäfer, Hirten und Hutmänner gehörten seit jeher zu den sozial mobilen Berufsgruppen. Ihnen wurde die Aufsicht über das dörfliche Vieh häufig nur für ein oder zwei Jahre verpachtet.

Gast- und Schenkwirte, Bäcker und Müller gehörten ebenso dazu wie Pfarrer oder Lehrer. Schenken, Backhäuser und Mühlen waren häufig im Besitz der Gemeinde und wurden jährlich oder zweijährig neu verpachtet. Die Pächter kamen meistens aus der näheren Umgebung und die Gastwirte waren häufig Metzger oder Bäcker von Beruf. Den Wirten wurde vielfach auch die Gemeindekasse anvertraut, später hat man dann doch lieber den Schullehrer dazu verdonnert.

Die Pfarrer und Lehrer (früher Schuldiener bzw. -meister genannt) wurden vom Oberkonsistorium Gotha (für Seebergen Rudolstadt) eingesetzt, die Gemeinde hatte jedoch ein kleines Vetorecht. Von der theoretischen Ausbildung lagen die Pfarrer und Lehrer gar nicht soweit auseinander, so dass es einigen Lehrern letztlich gelang, eine der begehrten Pfarrstellen zu bekommen. Dennoch: verwandtschaftliche Verflechtungen spielten scheinbar auch damals eine große Rolle.

In den größeren Orten findet man Bader und (Handwerks-)Chirurgen, die sich um die Gesundheit der Bevölkerung kümmerten. Für Wandersleben und Seebergen gibt es entsprechende Nachweise.

Studierte Ärzte gab es selten und dann auch nur in den Städten. Das eigentliche „Handwerk“ haben sie dann den Chirurgen, Steinschneidern, Oculisten und Badern überlassen. In den Verwaltungszentren wie Seebergen gab es auch entsprechende Beamte. Seebergen war ein eigenes Amt im Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt, dass allerdings nur das Dorf Seebergen selbst umfasste. Später wurde es dann vom Amt Königsee aus verwaltet, bis es Anfang des 19. Jh. endgültig zum Amt Gotha im Herzogtum Sachsen-Gotha gelangte.

Mit dem Aussterben oder Wegzug des dörflichen Adels (vor allem in Wechmar, Mühlberg, Wandersleben und Günthersleben) wurden auch die Rittergüter zunehmend verpachtet oder durch Oeconomen verwaltet.